Freitag, 18. Juli 2014

Sevusevu in Daliconi

Freitag, 18. Juli 2014, Daliconi Village, Vanua Balavu, Northern Lau, Fiji. Unser erstes Sevusevu. Wir sind hin und weg!

Um kurz vor Neun holen wir den Anker raus, was Probleme bereitet, weil die Kette unter einem Korallenblock in 14 m Tiefe hängt. Aber wir kriegen den Anker diesmal an Deck, ohne dass ich tauchen muss. Wie fahren unter Motor anderthalb Stunden nach Süden und ankern dann vor dem kleinen Village Daliconi, wo sich die Monkey Fist gerade daran macht, ankerauf zu gehen. Wir werden seitens des Dorfes auf Kanal 16 begrüßt und so können wir gleich eine Zeit vereinbaren für unser erstes Sevusevu. Christine fühlt sich wie vor dem ersten Date und ist ganz nervös.

Um halb Zwölf satteln wir also unsere Kutsche und fahren über das korallengespickte flache Wasser an den Strand, auf den wir das Dinghy einige Meter weit hinaufziehen. Wir warten ein paar Minuten, dann kommt uns jemand begrüßen. Wir fragen nach dem Turaga ni Koro (sprich: Turanga ni Koro), der als so eine Art Zeremonienmeister die Aufgabe hat, Gäste zum Chef des Dorfes zu bringen, dem man als Gastgeschenk einen Bund Kava-Wurzeln, hier Yaqona (sprich Yangona) genannt, überreicht, mit der Bitte, als Dorfmitglieder aufgenommen zu werden und sich umsehen zu dürfen. Diese Zeremonie ist nicht etwa für Yachties erfunden worden, sondern eine uralte Tradition, die immer dann zum tragen kommt, wenn sich Menschen unterschiedlicher Dörfer besuchen oder auch sonst zu besonderen Anlässen. Wir haben Glück, denn unser „Empfangskomitee“ stellt sich selbst als der Turanga und dann auch mit seinem Namen vor. Er heißt Ronny, und als ich dann sage, dass ich Ronald heiße, aber früher auch mal von einer einzelnen Dame Ronny genannt wurde, findet er, diesen Namen solle ich der Einfachheit halber doch einfach behalten, so lange wir in Fiji seien. Ist mir erst mal recht.

Bei der Sevusevu Zeremonie sind einige Dinge zu beachten, von denen wir bereits wissen, weil wir es gelesen oder von anderen (z.B. Curly) gehört haben. Keine Hüte, keine Sonnenbrillen, keine Rucksäcke auf dem Rücken, Schuhe ausziehen, Knie bedeckt (deshalb hatten wir auch für mich einen Sulu in Savusavu gekauft). Die Männer sitzen im Schneidersitz, die Frauen mit seitlich aneinandergelegten Beinen auf dem Boden. Keinesfalls Fußsohlen zum Chief. Der Turanga wirft sich erst mal selbst in Schale, sprich, auch er legt sich einen Sulu an und bringt uns dann zum Haus des Chiefs. Wir werden hineingebeten, der Chief sitzt schon im Schneidersitz in einem vielleicht 20 qm großen Raum, der mehr oder weniger unmöbliert ist, auf einer großen Matte am Boden. Der Turanga stellt uns mit Namen vor und dann dürfen wir etwas sagen, wobei wir den Bund Kava Wurzeln überreichen. Wir werden vom Chief mit Handschlag begrüßt und dürfen uns dann setzen. Schweigen ist jetzt Pflicht. Nachdem der Chief ein paar Worte gesagt hat, wird dreimal in die Hände geklatscht (mit den hohlen Händen, nicht mit den Handflächen) was bedeutet, dass nun der Turanga das Wort übernimmt und einen Monolog in Fijianischer Sprache hält. Am Ende wird wieder dreimal geklatscht (genannt cobo) und bekundet, dass der Chief unser Sevusevu annimmt, und wir nun in die Dorfgemeinschaft aufgenommen seien und uns frei bewegen können, alle Plätze aufsuchen, tauchen, schnorcheln, ankern, was auch immer wir wollen. Wir bedanken und verabschieden uns zu einem Gang durch das Dorf.

Wir haben hier nur die kurze Fassung erlebt. Die formale Variante beeinhaltet auch noch die Zubereitung des Kava-Tranks (was durchaus langwierig sein kann) und das anschließende Kavatrinken, wobei u.U. das halbe Dorf teilnimmt. Wir sind jedenfalls ganz froh, dass wir es heute mit der short version zu tun haben. Wir werden auch gebeten, eine Donation an das Dorf in Höhe von 25 FJD pro Person zu leisten (für uns beide also etwa 20 Euro), wofür wir gleich ein Quittung bekommen. Wir wissen bereits, dass diese Zahlung erwartet wird und auch, dass sie in erster Linie für die Schule und die Infrastruktur des Dorfes verwendet wird. Von vielen Seglern wird diese „Spende“ abgelehnt (man muss sie aber zahlen) und als Abzockerei bezeichnet, was wir überhaupt nicht nachvollziehen können. Wir können uns nun so lange wir wollen hier aufhalten, an den schönsten Ankerplätzen der Welt die Seele baumeln lassen, Fische fangen, so viel wir wollen und können und die Gastfreundschaft der Einheimischen in Anspruch nehmen. Dafür sind diese paar Dollar doch nicht der Rede wert.

Der Eindruck, den das Village auf uns macht, ist wieder einmal etwas ganz Neues für uns. Ein Dorf ohne Straßen (mal abgesehen von dem Feldweg, der vom Rand des Dorfes bergan und wohl zum Hauptort Lomaloma führt) und ohne erkennbare Struktur. Die Häuser stehen auf dem Rasen und man kann gar nicht anders, als den Leuten durch den Vorgarten zu gehen. Überall werden wir freundlich mit einem „Bula“ (so viel wie hallo, willkommen) begrüßt und oft auch gleich in ein kurzes Gespräch verwickelt. Wir gehen über den Hügel zum Rand des Dorfes, wo sich die Schule befindet. Es ist gerade Mittagspause und die Schüler und die Lehrerin kommen uns entgegen. Wir werden eingeladen, am Nachmittag wieder zu kommen, was wir tun wollen, nachdem wir an Bord zurückgekehrt und etwas gegessen haben.

Um halb Drei sind wir wieder bei der Schule. Auf der großen Rasenfläche wird Rugby und Basketball gespielt und drei Erwachsene, die im Schatten auf der Veranda vor dem Unterrichtsgebäude sitzen, winken uns, näher zu kommen und bei ihnen auf dem Boden Platz zu nehmen. Emily, die Lehrerin vom Vormittag, ist eine der Drei. Die beiden anderen sind der Chef der Schule, Suli und dessen Frau. Alle drei ausgesprochen nett, fröhlich, gut aufgelegt. Bisher hatten sie wohl als Schiedsrichter bei den Ballspielen fungiert, aber das scheint nun nicht mehr ganz so wichtig zu sein. Wir kommen schnell in ein interessantes Gespräch, u.a. auch darüber, dass Suli selbst aus Savusavu kommt und 8 Jahre in der Hauptstadt Suva gelebt hat. Der Unterschied zum Leben hier ist groß. In diesem Village gibt es kein einziges Geschäft, der nächste Supermarkt ist in Lomaloma, zu Fuß 3 Stunden entfernt. Und dieser wird nur einmal im Monat per Schiff beliefert. Im ganzen Dorf gibt es kein Auto. Nur an drei Tagen in der Woche fährt ein Truck, auf dem man mitfahren kann, wenn man will. Die Menschen hier leben billig. Überwiegend von dem, was sie in der Umgebung reichlich haben. Kokosnüsse, Papayas, Bananen, Breadfruit, Mangos, Limetten. Man braucht es nicht einmal anzubauen. Suli genießt das Leben hier, weil es viel relaxter sei als in der Stadt. Der Unterricht für die 28 Schüler findet in zwei Gruppen statt. Klasse 1 bis 4 und Klasse 5 bis 8. Uns fällt auf, dass alle Kinder schlank und sportlich sind.

Da sich die Lehrer auch sehr für uns zu interessieren scheinen, holt Christine unser Fotobuch hervor, das eine Zusammenfassung in Bildern unseres bisherigen Lebens darstellt. Interessiert wird es durchgeblättert und ruckzuck stehen jede Menge Kinder, die gerade noch Rugby gespielt haben, drumherum und schauen Bilder vom Schnee in Österreich an. Wir fühlen uns sauwohl.

Auf dem Rückweg zum Dorf werden wir von einigen Kindern begleitet, die von uns wissen wollen, wie sich good bye und how are you in Deutsch anhören. Auch wir versuchen uns in ein paar Fiji phrases, haben mit der Aussprache aber mehr Schwierigkeiten, als die Kinder mit dem Deutsch. Anschließend wandern wir noch eine ganze Weile am Strand entlang, der nun wegen des Niedrigwassers deutlich breiter geworden ist. Sandige Abschnitte wechseln mit schroffkantigen Lavafelsen. Die Landschaft ist berauschend schön und immer wieder haben wir eine andere Ansicht auf unser schwimmendes Zuhause. Uns wird klar, dass das Erleben einer derartig abgelegenen Dorfgemeinschaft und das Übernachten in menschenleeren Buchten auf diesen Inseln als Normaltourist unerreichbar ist. Das, was wir hier erleben, lässt sich nur per Boot erreichen. Mei, wo mir san, würde Norbert zu Uschi jetzt sicher sagen. Wir sind so froh, dass uns Curly in seinem Seminar in Savusavu so nachdrücklich aufgefordert hat, die Lau-Gruppe anzusteuern. Ohne ihn wäre uns die Einzigartigkeit dieser Inseln vielleicht für immer verborgen geblieben. Und das wäre wirklich schade!

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Als das Dinghy den Strand hochgezogen ist, mache ich mich Sevusevu-fein (die Knie müssen bedeckt sein, am besten mit einem Sulu)

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Im Dorf gibt es viele einfache Häuser und Hütten, …

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… aber auch ein paar schönere Gebäude

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Lunchbreak in der Schule. Die Kinder gehen für eine halbe Stunde zum Mittagessen nach Hause

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Die Lehrerin Emily lädt uns ein, am Nachmittag wiederzukommen, was wir bestimmt machen werden

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Das Dorfrind

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Dieses ist der einzige Weg, der in das Dorf hineinführt, ansonsten gibt es weder Straßen noch Gassen. Die Häuser stehen allesamt auf einer großen Rasenfläche oder am Strand

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Der Chief des Dorfes und sein Haus, in dem wir heute unsere erste Sevusevu-Zeremonie erlebt haben. Bei der Zeremonie war er noch anders gekleidet (auch mit Sulu), nun ist er reisefertig für die Hauptstadt Suva auf Viti Levu. Dazu muss er zunächst nach Lomaloma, wo er ein Schiff nach Suva besteigen wird

 

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Tui zeigt uns das Dorf und erzählt uns etwas über die Gemeinde

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In Strandnähe stehen die einfachsten Behausungen, die uns etwas an afrikanische Verhältnisse erinnern

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Abwasch am Strand

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Dieses Paar ist damit beschäftigt, Kokosnuss zu raspeln, um daraus Kokosöl zu gewinnen. Sie kommt hier aus Daliconi, er ist von Viti Levu, der größten Fiji-Insel, hierhergezogen. Eine große Umstellung, wie er betont. Die beiden sind ausgesprochen freundliche und fröhliche Typen

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Hier werden Pandanusblätter getrocknet, die für allerlei Flechtwerk (wie z.B. Bodenmatten) verwendet werden

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Am Nachmittag in der Schule. Suli, der Chef der Schule, blättert in unserem Fotobuch mit Fotos von unser Heimat und unseren Familien. Ruckzuck versammelt sich eine größere Kinderschar um ihn herum. Besonderes Interesse finden Bilder von Schnee und Eis

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Das Rugbyfeld ist plötzlich ganz leer geworden

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Christine im Gespräch mit Emily und der Frau von Suli

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Auch die Damen finden Interesse an den Bildern aus Europa

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Klassenzimmer in der Daliconi Primary School mit viel interessantem und gut gemachten Anschauungsmaterial

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Schulschluss für diese Woche. Einmal müssen sich noch alle versammeln, nachdem zuvor die Fiji-Flagge unter Trommelwirbel nieder genommen wurde. Flaggenparade gibt es jeden Morgen zum Schulbeginn und jeden Nachmittag zum Schulschluss

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Auf dem Rückweg von der Schule ins Dorf

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Nachmittäglicher Spaziergang am Strand

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Viele Palmen weisen eine rote Färbung der Stämme auf. Haben wir noch nie gesehen

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Am Nachmittag sind noch zwei weitere Segler angekommen (die schon mit uns in der Bay of Islands gelegen hatten), die nun zu ihrem Sevusevu an Land fahren. Der Chief ist schon verreist, also wird es wohl eine Vertretung geben

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Wir müssen unser Dinghy weit tragen bzw. schleifen, weil der Wasserstand jetzt niedrig ist. Diese Jungs, die zum Angeln rausfahren, zeigen uns die etwas tiefere Rinne zwischen den Korallen, durch die wir zur Gipsy zurückkommen

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Die Gipsy IIII vor Daliconi in der Spätnachmittagssonne

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