Mittwoch, 12. Februar 2014

Skiunfall

Damüls, 1. Februar 2014, Schöner Skitag mit bösem Ende

Es ist ein toller Tag mit traumhaftem Wetter. In der letzten Woche hatte es geschneit und so versprechen wir uns hervorragende Bedingungen zum Skifahren, die wir dann im schneesichersten Skigebiet der Welt (Damüls-Werbung) auch tatsächlich vorfinden. Es ist zwar Samstag, aber die Wartezeiten an den Liften halten sich dennoch in Grenzen. Wir sind schon gut zwei Stunden unterwegs und da dies bereits der 16. Ski-Tag dieser Saison für mich ist, fühle ich mich auf den Brettern ziemlich sicher und fahre schließlich gemeinsam mit Christines Schwester eine schwarze Skiroute hinunter, deren steiler Hang heute nicht präpariert und voller weicher Buckel ist. Die wirklich schwierigen Passagen komme ich gut runter. Also wird es ja wohl kein Problem sein, den letzten Teil des Hangs im Schuss zu fahren. Die zwei dicht hintereinander liegenden Bodenwellen habe ich schon gesehen. Wie hoch und steil der zweite Buckel ist, wird mir aber erst so richtig klar, als ich mit ziemlichem Tempo über den ersten rase und eine halbe Sekunde später auf dem zweiten abfliege. Wahrscheinlich hebe ich etwa 2 m hoch vom Boden ab. Jedenfalls gerate ich in Rückenlage, bekomme mit, wie die hinteren  Enden meiner Ski als erstes den Boden berühren. Dann knalle ich mit Rücken und Kopf auf. Der Schnee ist nicht bockhart. Rücken und Kopf überstehen den Aufschlag gut, aber sofort durchfährt mich ein brutaler Schmerz im rechten Oberarm. Der ist ab, ist das erste, was ich denke. Der zweite Gedanke: Noch fünf Wochen bis zum Rückflug in die Südsee. Hoffentlich können wir den jetzt nicht vergessen.

Ich weiß nicht, worüber ich lauter fluchen soll: Über meine eigene Dummheit oder über die ungeheuren Schmerzen. Die Überlegung ist müßig, die Vokabeln sind eh dieselben und fangen mit sch an. Nicht viele Leute hier, die meine Schimpfkanonade auf und über mich selbst mitkriegen. Irmgard ist schon 200 Meter voraus und wegen einer Krümmung des Hangs außer Sicht. Aber bald tauchen andere Skifahrer auf, die behilflich sind. Glücklicherweise ist auch ein Bergretter dabei, der von einer Skitour kommt und per Funkgerät die nächste Akia-Station anruft und mit gelassener Ruhe und Sicherheit meine Betreuung in die Hand nimmt. Das Problem sind die Schmerzen. Es gibt keine Stellung, die Linderung verschafft. Am ehesten geht es noch im Sitzen. Ich bin kurz davor, das Bewusstsein zu verlieren, im Kopf dreht sich schon alles. Schließlich kommt eine Schneeraupe samt Akia und ich werde auf den Transportschlitten gehoben. Sechs Mann fassen mich mit festem Griff in die Skikleidung an. Ich merke kaum, dass ich angehoben und abgesetzt werde. Die Jungs haben den Job drauf, gottlob. Ich versuche, mich hinzulegen, aber in der Stellung sind die Schmerzen nicht auszuhalten. Ich will mich mit einem kleinen Joke selbst aufmuntern und frage, ob jemand zufällig Morphium in der Tasche habe. Nee, hat keiner. Irgendwie ist plötzlich Hannes, ein Neffe von Christine, aufgetaucht. Keine Ahnung, wo der plötzlich herkommt. Ich bitte ihn, ein paar Fotos zu machen.

Ich höre, wie die Helfer Kontakt mit einem Rettungshubschrauber aufnehmen. Es ist einer im Gebiet, aber der ist schon belegt. Nur ein Sitzplatz wäre noch frei. Ob ich im Sitzen transportiert werden kann? Ich bejahe. Ob ich Schmerzmittel benötigen würde? Ohne dass ich diesmal gefragt werde, lautet die Antwort: “Ja!” Das bedeutet, ich muss auf den nächsten Hubschrauber warten, denn mit Schmerzmittel kann offenbar nur liegend transportiert werden. Ich kann nicht mehr sitzen, neben den Schmerzen im Arm verspüre ich nun Verspannungen im ganzen Körper. Mal hinlegen? Ein Versuch ist es wert. Au Scheiße. Nein, wieder hinsetzen. Die Zeit kommt mir lang vor, bis endlich Christophorus 8 landet. Die Notärztin erscheint mir wie ein Engel, auch wenn sie dunkle Haare hat. Sie tastet Arm und Schulter ab. Diagnose: Schultergelenk ausgerenkt.  Ich bekomme eine Leitung in den linken Arm und dann das Schmerzmittel hinein. Davon könne mir leicht schlecht werden. Ja, das passiert tatsächlich aber die Erwartung, dass nun auch die Schmerzen nachlassen, erfüllt sich leider nicht. Ich werde auf die Trage gehoben und verschnürt.

Aus dem Hubschrauber kann ich von der schönen Gegend leider nichts sehen. Dafür sehe ich die Ärztin über mir mit der ich aber wegen des Lärms nicht reden kann. Macht nix, mir ist eh nicht nach plaudern zumute. Lange dauert der Flug nicht, dann landen wir auf dem Dach des Krankenhauses Bludenz. Normalerweise hätte man mich gleich ins Heimatkrankenhaus Feldkirch geflogen, aber dort ist Nebel. Im Krankenhaus zieht man mir Skijacke und Pullover aus. Oh Gott, wie soll das jetzt gehen? Ist aber kein Problem, auch das Krankenhauspersonal beherrscht den Job und kriegt das hin, ohne dass ich den rechten Arm bewegen muss. 15 Minuten warten, dann Röntgen. Oberarm nach vorn aus dem Gelenk heraus. So passiert es am häufigsten. Ich werde seitlich auf einen Stuhl mit Lehne gesetzt, den kaputten Arm über die Lehne gelegt. Mir schwant Böses. Wie soll ich das aushalten, wenn der Schmerz jetzt noch gesteigert wird? Und wie lange wird das dauern? Eine junge Ärztin in grünem OP-Dress, diesmal eine Blonde, macht sich ans Werk. Oh Wunder, die Schmerzen nehmen gar nicht zu. Ich soll die Muskeln locker lassen, bloß nicht anspannen. Sie zieht ganz langsam und bewegt den Arm in verschiedene Richtungen. Aha, das geht also ohne Ruck? Tatsächlich. “Fertig, ist wieder drin”, sagt sie. “Die Schmerzen sollten jetzt nachlassen”. Ja, das tun sie wirklich. Nicht, dass sie weg wären, aber nun ist das Ganze schon deutlich erträglicher. Noch mal röntgen, dann bekomme ich einen Spezialgurt verpasst, der den Arm am Oberkörper anbindet. Dieses Ding soll ich Tag und Nacht tragen. Für mindestens 3 Wochen. Eine Überweisung zum MRT bekomme ich noch in die Hand gedrückt, dann warte ich darauf, dass Christine mich abholt.

Mittlerweile sind 10 Tage vergangen und ich warte auf den Termin für die Magnetresonanztomographie, die zeigen wird, ob im Sehnen- und Muskelapparat noch alles ganz ist. Vor 11 Jahren hatte ich schon einmal einen Skiunfall mit rechter Schulterverletzung. Damals wurde die Supraspinatussehne angerissen. Meine Befürchtung geht dahin, dass diese nun eine weitere Schwächung erfahren hat oder im worst case sogar ganz durchgerissen ist. Mittlerweile habe ich einiges über das Schultergelenk recherchiert und weiß ganz gut Bescheid, wie das Ding funktioniert und was so alles kaputt gehen kann. Die Sehne, um die ich Angst habe, greift von oben auf der Außenseite des Oberarmknochens an und ist für die seitliche Hebung des Arms erforderlich. Wenn ich das jetzt versuche, ist bei 20 Grad Hebewinkel Schluss. Das macht mir halt etwas Angst. Falls eine Operation fällig wird, ist die Zeit für unseren Rückflug zu knapp, denn erstens muss erst mal ein OP-Termin her und zweitens dauert die anschließende Reha wohl ziemlich lange. Let’s hope for the best.

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Liegeversuch auf dem Akia. In dieser Position halte ich es nicht lange aus

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So geht es etwas besser, aber nach einer Viertelstunde ist der ganze Körper verspannt.  Die Schmerzen in der Schulter sind brutal und jede noch so kleine Bewegung macht es schlimmer

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Endlich! Der Hubschrauber ist im Anflug

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Die Notärztin verpasst mir eine Kanüle in den Arm und dann ein Schmerzmittel. Davon wird mir zwar schlecht, wie von ihr angekündigt, aber die Schmerzen lassen kaum nach

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Verpackt für den Transport im Hubschrauber  

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Hannes, vielen Dank für die Fotos!   

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Mit diesem Verband soll ich nun erst mal drei Wochen herumlaufen