Samstag, 20. Juni 2015, Port Vila, Vanuatu. Wir fliegen zum Landdiving nach Pentecost
Wir stehen früh auf, denn um Halb acht werden wir von einem Mitarbeiter der kleinen Fuggesellschaft Unitiy Airlines an der Marina abgeholt. Am Flughafen stößt dann noch ein älteres Ehepaar (sie 78, er 84, beide ehemalige Judokas mit schwarzem Gürtel) zu uns, so dass wir außer der Ehefrau des Piloten Cameron, Jenny, die auch einmal mitfliegen darf, weil der Vogel nicht ausgebucht ist, nur 6 Fluggäste sind und noch zwei Plätze frei bleiben in der kleinen Maschine. Wir fliegen vorbei am Vulkan Lopevi der gleichnamigen kleinen Insel, die eigentlich nur aus dem Berg besteht und etwas später an einem weiteren Vulkan auf Ambrym. Beide Vulkane sind aktiv, aber Cameron kann nicht über den Krater fliegen, weil dieser von Wolken umhangen ist und wir deshalb ohnehin nichts sehen würden. Auch auf dem Rückweg haben wir später Pech, so dass uns der Blick von oben in den „Schlot“ leider verwehrt bleibt.
Nach einer guten Stunde Flug landen wir um 1020 auf einer kleinen Piste im Südwesten von Pentecost. Es stehen noch 3 andere kleine Airtaxis dort und man wartet schon auf uns. Allerdings sind wir doch zu viele Passagiere für die zwei Pickups, mit denen es noch 20 Minuten zu fahren gilt. Also müssen wir so lange warten, bis einer der Wagen die erste Fuhre abgeliefert hat und uns schließlich abholt. Die Wartezeit ist aber kurzweilig, denn es gibt genug Gesprächsstoff mit Cameron und Jenny und dem australischen Ehepaar, die dort wohnen, wo wir die nächste Cyclone Season verbringen wollen, nämlich etwas nördlich von Brisbane. Schließlich sitzen bzw. stehen auch wir auf der Ladefläche eines Pickups und rumpeln über den Feldweg. Der Weg ist matschig, genauso, wie die letzten 200 Meter, die wir zu Fuß gehen müssen. Und auch der Berghang, an dem der Sprungturm aufgebaut ist, ist ein einziger gatschiger Lehmklumpen. Ich rutsche mehrmals aus und habe dann total verschmierte Hände, was insofern blöd ist, als ich ja die Kamera bedienen muss. Also schnell den klebrigen Dreck an der Hose abwischen.
Nun kriegen wir also den echten Ursprung des Bungee-Springens zu sehen. Traditionell ging es darum, dass mit einem derartigen Sprung, quasi als Mutprobe, Jugendliche ihre Mannbarkeit beweisen mussten. Heute wird der Brauch aufrechterhalten, um damit Touristen zu begeistern und Geld zu verdienen. Dieser Ritus ist einmalig auf der Welt und wird nur im Süden von Pentecost, also nicht einmal in den nördlichen Dörfern, ausgeübt. Es springen alle Männer des Dorfes, wobei sie sich abwechseln, denn in den Monaten April bis Juni findet die Veranstaltung zweimal wöchentlich statt. In den restlichen Monaten des Jahres sind die Lianen, die an den Füßen der Springer befestigt werden, nicht geeignet, weil sie zu trocken sind und brechen würden. Der Fall wird nicht nur durch die Liane selbst gebremst, sondern auch durch das Sprungbrett, das zunächst federt und dann sofort an einer Sollbruchstelle abbricht. Eine weitere Maßnahme, um Verletzungen so weit wie möglich auszuschließen besteht darin, dass der Turm an einem Hang steht und die Aufschlagstelle abschüssig ist. Außerdem wird der Boden dort immer wieder mit Stangen umgegraben und aufgelockert.
Das Ritual geht so vonstatten, dass zunächst aus geringeren Höhen gesprungen wird, die sich dann sukzezzive bei den weiteren Jumps erhöhen. Man beginnt bei etwa 6 m. Jedes Sprungbrett und die dazu gehörigen Lianen können nur einmal benutzt werden. Es dauert eine Weile bis zum nächsten Dive, denn die Springer müssen oben jeweils mit den Lianen verknotet werden. Und je höher es den Turm hinaufgeht, umso mehr Showelemente kommen hinzu. Die Jungs machen es spannend, bevor sie sich wirklich nach unten stürzen. Ein lokaler Führer berichtet, dass es durchaus regelmäßig zu Verletzungen und auch hin und wieder zu Todesfällen kommt. Heute passiert Gott sei Dank nichts ernsthaftes, nur beim letzten Sprung von der höchsten Plattform reißt eine Liane und der Springer landet schließlich nur noch mit einer Leine am Bein. Während der Sprünge gibt es eine musikalische Untermalung durch Frauen und Männer, die sich in einem einfachen Rhytmus bewegen und dazu in ziemlich monotoner Weise singen. Irgendwann werde ich auch mal ein Video dazu hochladen, um Bewegung und Gesang zu vermitteln.
Das Fotografieren ist anspruchsvoll. Zum Einen ist der Standortwechsel an dem steilen und gatschigen Hang mühsam, zum Anderen ist das Wetter nicht ideal und am Ende beginnt es sogar zu regnen. Darüber hinaus ist es fototechnisch delikat, weil die Belichtung schwarzer Körper vor hellem Himmel einer kleinen Kamera wie meiner Olympus Tough ziemlich viel abverlangt und eigentlich überfordert. Am Abend und am nächsten Morgen gibt es jedenfalls viel Arbeit mit 280 Fotos, von denen einige aussortiert und die allermeisten mit Fotoshop nachbearbeitet werden müssen.
Die ganze Show dauert 70 Minuten. Vor dem letzten Sprung bedankt sich ein Dorf-Sprecher bei den etwa 50 Touristen (von denen vielleicht die Hälfte mit Flugzeugen von anderen Inseln gekommen ist, die anderen kommen von Hotels und Resorts auf Pentecost), dafür, dass sie mit ihrem Eintrittsgeld helfen, Projekte der Dörfer zu finanzieren. Das Geld wird z.B. für Schulen und Krankenversorgung ausgegeben. Ich kann leider nicht rauskriegen, wie viel von unserem Reisepreis (43.900 Vatu pro Person) tatsächlich hier im Dorf ankommt. Die Hotelgäste auf Pentecost zahlen jedenfalls 12.000 Vatu, und davon steckt sich das Hotel für Transport, etc. sicher auch noch etwas ein. Ich könnte mir vorstellen, dass am Ende vielleicht 50 Euro pro Person für das Dorf übrigbleiben. Bei 50 Gästen gibt es also 2500 Euro an Dorfeinnahmen für eine Veranstaltung wie die heutige.
Um Halb zwei sitzen wir wieder im Flieger. Einsteigen wie im Auto. Tür auf und rein, anschnallen, losfliegen. Auf diesem Flug darf ich vorn auf dem Copiloten-Sitz Platz nehmen und kann Cameron über die Headsets mit Fragen bombardieren. Auch den Funkverkehr auf 5480 khz kann ich so mitverfolgen. Wir fliegen nicht besonders schnell, Reisegeschwindigkeit 120 Knoten (220 km/h), Flughöhe 6000 Fuß (1800 m). Die Kiste macht einen Höllenlärm. Die hinteren Fenster sind nach außen gewölbt, so dass man dort den Kopf außerhalb der Bordwand haben und senkrecht nach unten oder nach recht voraus und achteraus schauen kann. Es gibt eine Zwischenlandung auf Epi, wo wir etwas zu spät zum Lunch erscheinen, weshalb das Essen schon ziemlich kalt, aber dennoch sehr gut ist. Anschließend werden wir mit einem kleinen Boot zur vorgelagerten Insel Lamen Island gebracht, wo der Reiseplan schnorcheln vorgesehen hat. Hier gibt es Dugongs (Seekühe), aber da sich wegen Niedrigwassers keines zeigt, verzichten alle Teilnehmer auf ein Bad, denn es ist ziemlich frisch. Stattdessen plaudern wir mit einer einheimischen Famlie und essen Pampelmusen.
Um 1630 sind wir wieder in der Luft, etwa 40 Minuten später zurück am Port Vila Airport, von wo wir zurück zur Marina gefahren werden. Auf dem Rückweg kaufen wir noch schnell ein Baguette, damit wir den heutigen tollen Tag mit Rotwein und Käse ausklingen lassen können. An der Marina-Bar erwarten uns Conny und Wolfgang und wir trinken ein Bier zusammen, um von den Erlebnissen des Tages zu berichten.
Um 0915 geht es los von Port Vila Airport. Die Maschine kann außer dem Piloten 9 Passagiere befördern. Marie-Luce und Didier sind auch mit dabei
Kurz nach dem Start können wir in der Ferne unseren Liegeplatz (Pfeil) sehen
Wir fliegen über das Cook Reef
Kleines Dorf im Busch und Landebahn von Pentecost
Unser Pilot Cameron ist bei allen Aktivitäten dabei und so etwas wie unser Reiseleiter. Im Busch wirkt seine Uniform etwas deplaziert. Rechts im Bild seine Frau Jenny. Hier geht es mit den Autos nicht mehr weiter
Leider ist das Wetter etwas trüb und der Boden ziemlich rutschig. Trotzdem ist diese Veranstaltung ein einmalig tolles Erlebnis
Zwei Helfer am Fuß des Sprungturms lockern immer wieder den Boden auf und schneiden die Springer von den Lianen los
Oberhalb des Sprungturms sorgen Männer und Frauen für musikalische Untermalung
Die “Sprungbretter” sind so konstruiert, dass sie abbrechen, wenn Zug auf die Lianen kommt. So wird die Fallgeschwindigkeit kurz über dem Boden abgebremst
Trotzdem gibt es beim Aufschlag ein deutlich hörbares Geräusch. Die ganze Angelegenheit ist mit Sicherheit eine härtere Übung als das moderne Bungeespringen, wo es keines sportlich trainierten Körpers bedarf, sondern es reicht, wenn man sich überwinden kann
Bei diesem letzten Springer reißt die rechte Liane. Es ist ihm aber glücklicherweise nichts passiert
Wir sitzen wieder im Flugzeug und machen eine Zwischenlandung zum Lunch in Epi
Mit einem kleinen Bötchen geht es nach Lamen Island hinüber. Das Schnorcheln schenken wir uns heute aber
Wieder zurück iin Port Vila
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