Donnerstag, 19. Mai 2016. Scarborough Marina. Erste Bootsbesichtigung mit David
Um 11 Uhr steht David auf der Matte. Der Flieger von Hobart nach Brisbane war überpünktlich und so ist er schon ein paar Minuten eher da, als wir ihn erwartet haben, so dass ich gar nicht mehr dazu komme, mich in ein „stylisches“ Verkaufsgewand zu werfen, sofern ich so etwas überhaupt an Bord habe. Ich bin noch im Arbeitsdress, denn wir haben natürlich vorher etwas geputzt und ich bin noch gar nicht dazu gekommen, mich umzuziehen. Das Interesse von David am Boot ist groß, denn er und seine Frau suchen schon seit längerem genau nach diesem Modell und jetzt ist die Gipsy die einzige SO 43 DS, die seit einem Jahr auf dem australischen Markt angeboten wird. Ich glaube, wir sind uns gegenseitig sehr sympathisch und ich könnte mir David gut als neuen Eigner vorstellen, auch wenn es mir grundsätzlich nach wie vor extrem schwer fällt, mich von diesem Teil meines Lebens zu verabschieden.
Weil das Schiff noch nicht importiert ist, dürfen wir noch keinen Vertrag abschließen. Auch gegenüber den beiden Interessenten, die als erste angerufen hatten, fände ich es unfair, das Boot hier und heute zu verkaufen, wo doch schon Besichtigungstermine mit Chris aus Melbourne (Freitag) und Norm aus Mooloolaba (Sonntag) ausgemacht sind. Nach welchem Modus und an wen das Boot letztlich verkauft wird, wenn alle Drei bereit sind, den gewünschten Preis zu bezahlen, wissen wir im Augenblick selber noch nicht.
Am Nachmittag erhalten wir die Aufforderung vom Zoll, zunächst einmal 80 Dollar zu bezahlen, bevor der nächste Schritt im Import-Prozess in Angriff genommen werden kann. Zwei Alternativen für die Zahlung: Erstens: 40 km bis nach Brisbane fahren und die 80 Dollar bar im Zoll an der Kasse bezahlen. Zweitens: Ein Word-Formular mit den Kreditkartendaten ausfüllen, ausdrucken, unterschreiben, einscannen und zurückschicken. Klar, dass ich mich dafür entscheide, zumal das auch alles geht, ohne tatsächlich Papier zu drucken. Per Telefon kann ich die Daten aber nicht durchgeben und so gleich die Zahlung erledigen. Ein paar Stunden später kommt die Bestätigung, dass das Geld eingegangen ist. Nun darf ich in der Agrikulturbehörde anrufen, um einen Inspektionstermin mit einem Surveyor der Behörde zu vereinbaren. Aber der Surveyor hat schon Dienstschluss. Man wird mich morgen früh zurückrufen.
Freitag, 20. Mai 2016. Scarborough Marina. Zweite Bootsbesichtigung mit Maria und Chris
Weil die Flüge in der Früh zu teuer sind, kommen Maria und Chris erst am Nachmittag mit dem Flieger aus Melbourne. Deshalb haben wir am Vormittag Zeit, das Boot noch etwas zu putzen und kleinere Dinge zu erledigen. Gleich um 8 Uhr bekommen wir einen Anruf von Tracy, einer Mitarbeiterin der Agrikulturbehörde, die uns mitteilt, dass eine weitere Inspektion (der „Termitenjäger“) nicht nötig sei, weil wir die ja schon bei unserer Einreise erledigt hatten. Wir freuen uns natürlich darüber, sind aber über die komplizierten Prozessschleifen dieses Staatsapparates mal wieder amüsiert bis verärgert. Denn das hätten sie ja auch schon vor einer Woche wissen können, dass wir die Prozedur schon hinter uns haben (wir hatten es eh gesagt, aber man hat uns nicht geglaubt). Außerdem hätten wir uns dann den Quatsch mit der Überweisung der 80 Dollar sparen können, denn die kriege ich nun zurück überwiesen (aufs Kreditkartenkonto. Die Bearbeitungsgebühren von Visa für die zwei Buchungen zahle ich dann selbstverständlich selbst). Also noch mal zum Mitschreiben: Man zahlt 80 Dollar, um einen Termin vereinbaren zu dürfen, den man dann gar nicht braucht. Die Dollars kriegt man anschließend zurück. Das nenne ich Effizienz.
Das kriege ich alles schriftlich per email mit Anhängen, die den Vorgang systemisch bestätigen. Jetzt sollte man doch meinen, dass der nächste Schritt auch gleich per System erfolgt, nämlich die Rechnung für Zoll und Steuern, also der große Betrag, den wir berappen müssen. Das könnte doch wohl vom Computer versendet werden. Aber nichts passiert. Also frage ich mal an per mail, ganz höflich: „Ich bin der Meinung, dass wir jetzt mit allem durch sind. Dürfte ich darum bitten, nun die Rechnung zu bekommen?“ Jedenfalls so in der Art. Als erstes kommt wieder eine automatische Antwort nach dem Motto: „Wir haben so viel zu tun, rechnen sie mal lieber nicht mit einer schnellen Antwort“. Der Tonalität nach klingt es so, als solle man am besten mit gar keiner Antwort rechnen. Aber schon nach 5 Stunden ist sie dann doch da, allerdings nicht sehr aussagekräftig. Die Sache sei „on hold“. Wenn es so weit sei, würde ich schon benachrichtigt. Tatsächlich von einer Person namentlich unterschrieben. In der Zeit hätte dieser Mensch eigentlich auch gleich die Rechnung schicken können.
Maria und Chris kommen um 1615 an. Sie besichtigen, fragen, sind angetan. Wir finden die beiden nett und könnten uns auch bei ihnen vorstellen, dass sie die Gipsy übernehmen. Wir kommen ins plaudern und holen dann eine Flasche Wein raus plus ein paar Käsesnacks. Sundowner, halt! Um 19 Uhr machen sich die beiden auf den Weg, weil sie noch ein Hotel suchen müssen. Ihr Rückflug geht erst morgen Nachmittag und deshalb wollen sie am Vormittag gern noch einmal für eine detailliertere Besichtigung des Bootes wiederkommen und alles bei ordentlichem Tageslicht anschauen. Aufgefallen ist mir auch heute wieder, genau schon, wie gestern bei David, dass gleich zu Beginn der Fotoapparat ausgepackt, dann aber kaum Bilder gemacht wurden.
In der Zwischenzeit haben übrigens zwei weitere Interessenten angerufen, die Termine vereinbaren wollten, von denen ich aber abgeraten habe. Falls sich aus den drei Besichtigungen also kein Vertrag ergeben sollte, haben wir noch zwei potentielle Käufer in der Pipeline, die sich über einen Anruf zumindest freuen würden. Ach ja, auch ein Makler hat sich gemeldet mit dem Vorschlag, uns beim Verkauf zu helfen. Leider war ich gerade unter Zeitdruck, weil die ersten Gäste vor der Tür standen, so dass ich das Gespräch schnell beenden musste. Sonst wäre es interessant gewesen, einmal rauszufinden, wie weit man so einen Makler von seiner 10-Prozent-Forderung hätte herunterhandeln können.
Mittags wandern wir nach Redcliffe zum Lunch. Uriges Lokal und schöne Atmosphäre.
Samstag, 21. Mai 2016. Scarborough Marina. Chris und Maria kommen noch einmal für einen zweiten Besuch
Wie verabredet, kommen Maria und Chris um 1030 zu einem zweiten Besuch und bringen gleich einen Kuchen mit. Sie haben in der Zwischenzeit mit Freunden telefoniert (die ebenfalls Boote besitzen und die Bilder auf unserer homepage angeschaut haben), um sich Tips zu holen, auf was sie noch besonders achten sollten. Die Segel wollen sie anschauen. Klar, gar kein Problem. Der Wind ist nicht so stark, dass wir nicht alle Tücher ausrollen könnten. Der Zustand von Groß, Genua und Kutterfock ist besser, als Chris erwartet hatte. Der Motor ist noch wichtig. Springt natürlich sofort an und läuft ruhig.
Anschließend setzen wir uns zu Kaffee und Kuchen ins Cockpit und plaudern über unsere Reise, gebrauchte Boote generell, und natürlich über unseres. Die beiden bekunden, großes Interesse zu haben. Da wir nun schon zwei ernsthaft interessierte, potentielle Handelspartner haben, drängt sich die Frage auf, an wen wir schließlich verkaufen. Ich habe natürlich auch schon daran gedacht, aber selbst Chris erwähnt von sich aus, dass es am fairsten für alle Beteiligten ist, jeden ein Gebot abgeben zu lassen. Das höchste gewinnt. Wahrscheinlich wird es am Ende darauf hinauslaufen.
Nachdem sich die Beiden um Halb eins verabschiedet haben, gehen wir zu Fuß zum Supermarkt nach Sacarborough, um uns mit frischem Obst einzudecken. Anschließend drehen wir noch eine Runde über alle Stege der Marina und kommen dabei mit einigen der Bootseigner, die auf ihren Schiffen leben, ins Gespräch.
Niedrigwasser im Marinagelände
Sonntag, 22. Mai 2016. Scarborough Marina. Dritte Bootsbesichtigung mit Norm und Bronnie. Und dann noch eine vierte mit Doris und Bodo, die aber nicht dem Verkauf dient.
Sie kommen früher als vereinbart, kündigen das aber zuvor per Telefon an. Christine ist noch unterwegs auf dem Markt in Redcliffe, so dass ich die dritte Besichtigung der Gipsy bereits um 9 Uhr allein mit den Interessenten beginne. Diese beiden kommen aus Queensland und mussten nur eine Stunde mit dem Auto anreisen. Frau und Mann sind sehr angetan (wie könnte es anders sein) und nun haben wir, als Norm und Bronnie um Halb elf das Boot verlassen, tatsächlich drei Interessenten, die wir nach mündlicher Vorankündigung per email einladen, bis Dienstagabend ein Gebot abzugeben. Wir sind sehr gespannt auf das Ergebnis und stellen uns vor, welche Diskussionen wohl jetzt innerhalb der bietenden Paare stattfinden.
Um 14 Uhr erwarten wir Doris und Bodo, die uns auf dem Weg zum Flughafen, von wo sie heute ihren ersten Heimatbesuch seit ihrer Auswanderung starten, einen Besuch abstatten. Als wir vor ein paar Wochen für einige Tage bei ihnen in Noosa waren, hatten wir noch davon gesprochen, mit dem Boot in ihre Nähe zu kommen und sie eingeladen, eine Zeit mit uns zu segeln und an Bord zu verbringen. Nun ist alles ganz schnell ganz anders gekommen und höchste Zeit für die beiden, sich das Boot anzuschauen, so lange es noch unseres ist. Denn nun ist absehbar, dass das nicht mehr so lange der Fall sein wird.
Wir freuen uns jedenfalls sehr über das Wiedersehen und genießen das Zusammensein beim Lunch und später Kaffee und Kuchen im Cockpit. Wie oft haben wir mit Freunden hier gesessen, schöne Stunden erlebt und unbeschreibliche Ausblicke dabei gehabt. Zumindest mir wird jetzt permanent bewusst, dass das alles ein nicht mehr allzu weit entferntes Ablaufdatum hat.
Am Abend meldet sich ein weiterer Interessent per email, den ich gleich anrufe. Ein Paar aus Cairns, das auf den Ruhestand zusteuert und das Landleben gegen ein Bootsleben tauschen möchte. Die Idee ist, zunächst Australien zu umrunden. Allerdings keine Segelerfahrung und erst muss noch ein Anwesen verkauft werden. Oder getauscht. Gegen ein Boot. So kämen wir eventuell zu einem Haus in Queensland. Wollen wir aber nicht. Selbst wenn das die einzigen Interessenten bisher wären, schiene uns das zu kompliziert.
Unsere Verkaufshomepage hatte bisher übrigens 460 Besucher, von denen 159 aus Australien kommen, 124 aus Deutschland, 46 aus den USA, 36 aus Österreich, 31 aus Kanada, 19 aus der Schweiz und 11 aus China.
Wiedersehen mit Doris und Bodo, diesmal bei uns an Bord
Kleiner Verdauungsspaziergang in Scarborough