Samstag, 15. November 2014, Fulaga, southern Lau-group. Balolo Rising oder pazifischer Kaviar; Jo und Familie zu Gast bei uns an Bord
Ich liege noch im Bett und Christine ist gerade dabei, unser Frühstück herzurichten, da kommt Jo mit dem schon fast vollen Longboat zu uns, um uns zum Balolo-Fischen abzuholen. Es ist 7 Uhr. Um diese Uhrzeit hatten wir schon gar nicht mehr damit gerechnet, traditionell beginnt die Ernte schon deutlich vor Sonnenaufgang. Jedenfalls sind wir in ein paar Minuten startklar, lassen den Niedergang offen und steigen ein. Es geht 20 Minuten lang durch die Lagune, dann wird das Boot an einer großen Sandzunge geparkt, die Utensilien ausgeladen und noch 10 Minuten marschiert, bis wir an einer kleinen, felsigen Bucht angekommen sind, in der es heute, und zwar nur heute, Balolo zu fischen gibt.
Balolo ist eine Wurmart, die in manchen Rifflandschaften zu Hause ist und nur einmal im Jahr zur Vermehrung an die Oberfläche kommt. Das ist immer im November und zwar am 8. oder 9. Tag nach Vollmond. Es gibt rote und grüne Balolos, Männchen und Weibchen. Die Viecher schwimmen an der Wasseroberfläche herum und lassen sich mit bloßen Händen einsammeln. Wenn schon viel abgefischt ist, wird es effizienter, mit Sieben zu arbeiten. Während die Frauen im knietiefen Wasser stehen und die Würmer in große Container schaufeln, sind die Männer damit beschäftigt, Holz zu sammeln und Feuerstellen zu errichten, von denen es schließlich vier gibt. Ein paar Steine ringsherum, dann kommen die großen 8-Liter-Alutöpfe mit der „Balolo-Suppe“ obendrauf. Balolo muss gleich vor Ort gekocht werden, um haltbar zu bleiben, denn an der Oberfläche und im Sonnenlicht zersetzt sich der Wurm sehr schnell. Wenn das Wasser kocht und sich kein Wurm mehr bewegt, wird das Ganze auf zuvor von den Männern mit Macheten abgeschlagenen Palmenblättern, die am Boden ausgebreitet werden, ausgegossen. In diesem Zustand oder auch erkaltet, kann man den Würmerbrei nun essen. Glaubt es oder nicht: Das Zeug schmeckt genial. Man kann gar nicht genug davon kriegen und das schon im ungewürzten und nicht weiter zubereiteten Zustand. Morgen bekommen wir eine Mittagsmahlzeit, bestehend aus Balolo. Freuen wir uns jetzt schon drauf. Den Geschmack zu beschreiben, ist schwierig. Dass es seafood ist, kann man schon herausschmecken, vielleicht wie von allem etwas. Manche vergleichen ihn mit Kaviar. Für mich ist jedenfalls klar, dass Balolo eindeutig beser schmeckt, als Kaviar. Interessant eigentlich, dass diese Köstlichkeit in keiner Gourmetküche angeboten wird. So selten, wie man ernten kann, müsste Balolo sündhaft teuer sein.
Interessanterweise geht aber sogar hier auf den entlegenen Inseln von Fiji die Tradition des Balolofischens offenbar immer weiter zurück. Die Lehrerin Tao, die auch dabei ist und mit der ich mich lange unterhalte, erzählt, dass es sogar Menschen gibt, denen dieses Würmeressen nicht geheuer ist. So nach dem Motto: iiiiih, wie kann man nur so was schlucken. Aus dem Village Moana-i-Cake ist diese Bootsbesatzung mit 3 Frauen, 4 Männern und zwei Kindern (und uns) die einzige Truppe, die heute auf Fang geht. Vor einigen Jahren, als jede Familie noch eigene Einbäume hatte, seien alle Familien ausgeschwärmt und es habe 20 oder 30 Feuerstellen gegeben, auf denen Balolo gekocht wurde. Sie sind dabei schon am Vorabend hergekommen, haben in der Nähe des Jagdreviers übernachtet, und mit dem Fang in der Früh um Fünf gestartet. Heute gibt es die Einbäume nicht mehr (oder nur noch ein paar, die am Strand verrotten) und nur zwei Longboats mit Außenbordern. Und da sind die Leute zu stolz, den Besitzer zu fragen, ob sie mitdürfen. Also verkümmert die Tradition. Aber der Hit für uns ist natürlich: Wir sind dabei - und jedenfalls die ersten Yachties, die hier an so etwas teilnehmen können. Wir sind hin und weg und vollkommen begeistert.
Nachdem gefischt und gekocht wurde, gehen die Männer und Jungs mit Speeren fischen. Sie holen auch 3 mittlere und einige kleinere Fische aus dem Wasser, aber erstens lässt sich gar nicht so viel Beute blicken und zweitens ist noch längst nicht jeder Wurf ein Treffer. Schließlich wird zusammengepackt, die Töpfe, die ziemlich angebrannt sind, mit Sand vom Strand ausgescheuert und dann alles ins Boot verladen. Punkt 12 Uhr mittags sind wir wieder auf der Gipsy zurück. Wir haben hochinteressante 5 Stunden erlebt.
Eigentlich hatten wir unsere hosting familiy für 15 Uhr zu Kaffee und Kuchen eingeladen, aber wir haben gar nicht damit gerechnet, dass sie pünktlich kommen. Fiji time heißt nämlich: mit unbestimmter Verspätung. Das haben wir schon gelernt. Bis sie dann um 1615 eintreffen, habe ich die 130 Fotos des Vormittags bearbeitet, den Text geschrieben und den Blogbeitrag incl. Bilder erstellt, während Christine den Kuchen backt und den Tisch für unsere Gäste deckt. Interessanterweise trinken auch die beiden Enkel, der 13-jährige Peter und der 8 jährige Johnny gern Kaffee, und zwar jede Menge. Sind jedenfalls nette 3 Plauderstunden, die wir mit unseren Gästen verbringen. Tara hatte uns mit Zwiebeln gebratenen Balolo in Form kleiner Frikadellen mitgebracht, den wir zusammen mit den beiden Fischen, die wir gestern geschenkt bekommen hatten, als Abendessen verzehren.
Um 7 Uhr werden wir abgeholt
Hier wird das Boot geparkt …
… und dann geht es noch ein paar Minuten weiter bis zur Außenseite der Insel
Um halb Acht beginnt das Fischen, mit den Händen oder Gerätschaften
So sieht Balolo aus, wenn er im knietiefen Wasser schwimmt, …
… und so, wenn man ihn in der Hand hat
Traditionell wurde Balolo mit Reisigzweigen gefischt. Es ist dann nur etwas schwierig, die Viecher wieder davon herunterzubekommen
Dieser Topf kommt bald aufs Feuer, …
… wo kräftig umgerührt werden muss, damit nicht zu viel anbrennt
Die Lehrerin Tao ist eine interessante Informationsquelle, die ich heute ausgiebig anzapfe
Das Jagdrevier. Hier wird Balolo von Flut und Wind angetrieben. Aber nur einmal im Jahr, und das ist heute
Die Jungs versuchen ihr Glück mit den Speeren und sind auch erfolgreich
Die Speerspitzen müssen allerdings hin und wieder gerade gebogen werden, wenn das Geschoss auf einem Korallenblock landet
Gekochter Balolo hat eine Farbe wie Grünkohl. Hier wird er in Palmblätter transport- bzw. geschenkfähig verpackt, denn ein Teil der Beute wird im Dorf verteilt
Die Profis nehmen natürlich eine größere Portion auf einmal, …
… aber auch die Anfänger lassen es sich gut schmecken
Christine lernt, wie man Balolo traditionell transportfähig macht
Es geht zurück zum Boot
Im flachen Wasser werden die Töpfe mit Sand ausgescheuert, wobei die Hände ein super peeling bekommen
Tara, Jo, Peter und Johnny zu Kaffee und Kuchen bei uns an Bord
Unser Fotobuch von zu Hause findet ausgesprochen großes Interesse
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