Donnerstag, 5. Mai 2016

Eine weitreichende Entscheidung

Dienstag, 03. Mai 2016. Scarborough Marina. Google-Earth-Kartenproduktion und Hautarzt

Wir schlafen neuerdings gern lange und so kommen wir auch heute erst um 8 Uhr aus den Betten. Wir überlegen, ob wir nach Slacks Creek fahren sollten. Diese Stadt liegt etwa 60 km entfernt von uns, im Süden von Brisbane. Dort sind zwei Firmen ansässig, die Rettungsinseln vertreiben und warten. Bevor wir losfahren, rufe ich sicherheitshalber mal dort an. Gut getan, denn man ist heute mit Inventur beschäftigt und der Laden hat deshalb geschlossen.

Stattdessen: Christine kümmert sich um die Bootspflege, ich produziere Google Earth Bilder der Küstenabschnitte und potentiellen Ankerplätze, die wir anlaufen wollen, wenn wir nach Norden zu den Whitsunday Islands segeln. Das dauert ein paar Stunden.

Am Nachmittag gehen wir zur östlichen Strandseite von Scarborough, weil Christine dort einen Termin beim Hautarzt hat. Ist schon interessant: Während man in Vorarlberg mehr als ein halbes Jahr lang auf einen Termin für eine Hautvorsorgeuntersuchung warten muss, kriegt man hier sofort einen. Morgens telefoniert, am Nachmittag die Untersuchung. Mindestens so gründlich, wie zu Hause. Und halb so teuer.

P5031705

Tolles Wetter heute, für die Jahreszeit mit etwa 27 Grad deutlich zu warm. Am Horizont sind die Glass House Mountains zu sehen, von denen wir einen gestern erklommen haben

P5041710

Am Abend spontane Feier in der feinen Absteige von Marie-Luce, Didier und Delphine

 

 

Mittwoch, 04. Mai 2016. Scarborough Marina. Eine große Entscheidung wird gefällt: Wir verkaufen die Gipsy

Der Tag beginnt noch ganz normal, sogar mit gutem Wetter, so dass wir in aller Gemütlichkeit im Cockpit draußen frühstücken und Zeitung lesen. Dann bestelle ich per email eine neue Rettungsinsel und erledige ein paar andere administrative Jobs am Computer.

Währenddessen liest Christine im Cruising Guide über die Küstenabschnitte Queenslands, an denen wir entlang segeln würden auf dem Weg zu den Whitsunday Islands, 500 Meilen nördlich von unserem derzeitigen Standort. Was sie da über eines der schönsten Segelreviere liest, klingt in ihren Ohren wie das reinste Horrorszenario. Irgendwo steht was geschrieben von Krokodilen, wahrscheinlich auch von giftigen Quallen, an einer Stelle gibt es Strömungen von bis zu 6 Knoten, und Tiden - also Ebbe und Flut - gibt es sowieso permanent. Auch nicht jeder Ankerplatz wird schwellfrei sein. Während sie bisher immer mal geäußert hatte, dass sie am liebsten gar nicht mehr segeln würde und die Abneigung gegen das Bordleben generell schon während der letzten Tage unserer Autotour der letzten Monate immer deutlicher wurde (und zwar je mehr, umso näher wir dem Boot kamen), wird das nach der Lektüre heute Morgen schlagartig anders. Plötzlich steht für sie ganz fest, dass sie keinen Meter mehr segeln will. „Um die halbe Welt ist genug!“

Es ist der Zeitpunkt gekommen, an dem ich erkennen muss, dass weitere Überzeugungsversuche meinerseits, und wenn es auch nur noch um den kleinen, aber schönen Trip zu den Whitsundays ginge, ins Leere laufen würden. Die Konsequenz ist klar: Letztlich bleibt in dieser Situation nur das Verkaufen. Meine Stimmung ist nicht besonders. Trotzdem: Als Erstes storniere ich innerhalb der nächsten Stunde die Bestellungen der Rettungsinsel und Epirb, immerhin im Wert von zusammen etwa 2500 Euro. Ich bin überzeugt, dass deren Neuanschaffung beim Verkaufspreis letztlich kaum eine Rolle spielen würde und jetzt rausgeschmissenes Geld wäre. Mit den Stornos bin ich gerade noch rechtzeitig dran.

Ein Boot in Australien zu verkaufen ist nicht besonders empfehlenswert, jedenfalls wenn man andere Alternativen hat. Weil man nämlich voraussichtlich deutlich weniger für sein Schiff kriegt, als woanders auf der Welt. Und das liegt insbesondere daran, dass man das Boot zunächst einführen, d.h. versteuern muss. Der australische Staat verrechnet dafür 15% vom taxierten Verkaufswert. Den ermittelt ein spezieller Gutachter, den man ebenfalls ziemlich teuer bezahlen muss. Wegen der komplexen weiteren Abwicklung kommt man kaum darum herum, einen Makler mit dem Verkauf zu beauftragen, deren Geschäft ziemlich einträglich zu sein scheint, denn verrechnet werden etwa 10 Prozent vom tatsächlichen Verkaufspreis. Was schlussendlich bedeutet, dass von dem Preis, den der Käufer dann bezahlt, beim Verkäufer ein Viertel weniger ankommt. Fairerweise muss ich sagen, dass Christine das Boot auch schon im letzten Jahr in Neukaledonien verkaufen wollte. Finanziell wäre man da bestimmt deutlich besser ausgestiegen. Zu dem Zeitpunkt hatte ich allerdings noch die Hoffnung, zumindest einen Teil der australischen Küste abzusegeln und im Idealfall noch gemeinsam nach Indonesien und Malaysia zu kommen. Daraus wird nun also nichts werden.

Nun kommt erst mal eine Menge Arbeit auf uns zu, denn auch wenn wir einen Makler einschalten, ist viel zu erledigen. Ich fange schon mal mit einer Inventarliste an. Am Abend drehen wir noch eine Walkingrunde und treffen am Ende Marie-Luce, Didier und Delphine, die den Sonnenuntergang genießen. Die Drei laden uns in ihr gemietetes Edel-Appartement im 5. Stock an der Beachfront Scarboroughs ein, wo wir gemeinsam zu Abend essen und uns unter anderem einige Tips bezüglich des Bootsverkaufs geben lassen, denn dieses Kapitel haben Marie-Luce und Didier seit ein paar Wochen erfolgreich abgeschlossen.

 

Donnerstag, 05. Mai 2016. Scarborough Marina. Wir fangen an, das Boot auf Vordermann zu bringen

Ab 3 Uhr kann ich nicht mehr schlafen. Um Halb fünf stehe ich dann auf und setze mich an den Computer, um weiter an der Inventarliste zu arbeiten. Den weiteren Tag verbringen wir mit einer Reihe kleinerer Reparaturen und Wartungsjobs (manche Kleinigkeiten, die wir für uns selbst lange Zeit akzeptiert hatten, werden nun für den Verkauf angegangen und pikobello in Ordnung gebracht) und lassen die Maschine erstmals seit November letzten Jahres wieder laufen. Springt sofort an und funktioniert perfekt.

P5051713P5051715P5051719P5051720

Kleine Jobs, die auch erledigt werden wollen, wie Ankleben einzelner Buchstaben des Herstellernamens, Aufbringen dämpfender Dichtungsstreifen, neue Verdrahtung der Opferanode, aufräumen, Motorraum putzen, usw. …

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen