Donnerstag, 3. September 2015

Von Mare nach Noumea

Mittwoch, 02. September 2015, von Maré nach Noumea, 1. Seetag, 48 sm

Gestern Abend hat sich der Schwell doch tatsächlich ziemlich beruhigt, so dass wir eine angenehme Nacht hatten. Und der Tag heute beginnt noch besser: Strahlender Sonnenschein ohne eine Wolke am Himmel, türkisblaues, 14 Meter tiefes Wasser unter uns und es weht ein laues Lüftchen. Die Sonne wärmt, aber die Luft ist relativ frisch. Heute Morgen wieder nur 20 Grad im Schiff. Ich würde ja gern Yoga machen, aber das Vorschiff ist mit dem Dinghy belegt. Also wird nichts draus.

Wo das Wetter so toll aussieht, kommt mir der Gedanke, doch schon heute weiterzusegeln. Bei dem lauen Lüftchen könnten wir ja auch kreuzen, denn es ist bis zum Abend ein Südwind angesagt. Lieber noch mal einen neuen Wetterbericht abrufen. Die Kurzwellenverbindung nach Darawank, New South Wales, funktioniert nicht besonders gut. Die Verbindung wird dreimal unterbrochen und es dauert insgesamt wohl eine halbe Stunde, bis ich das 1,5 Kilobyte Gribfile über Pactor 3 auf dem Rechner habe. Aber es gibt keine neuen Erkenntnisse und so fällt dann die Entscheidung, dass wir am frühen Nachmittag starten wollen.

Um 1330 ist der Anker aus dem Grund und wir genießen Segeln vom Feinsten. Unter Genua, bei 12 Knoten Wind und zunächst nur 50 cm Wellenhöhe, fährt der Kahn fast wie auf Schienen dahin. Immer noch kein Wölkchen am Himmel. Wir genießen das Segeln und sitzen auf der Leeseite im Cockpit, Christine mit Blickrichtung nach vorn, ich schaue nach hinten. Mit Sonnenuntergang nimmt der Wind auf 15 kn zu und die Welle wird höher, womit auch die Bootsbewegungen wieder unruhiger werden. Trotzdem passt alles prima, denn der Wind kommt etwas östlicher, als vorhergesagt, weshalb wir keine Kreuzschläge zu machen brauchen und über Steuerbord Bug bis zum Havannah-Pass fahren könnten, wenn wir nicht am Ende auf den nach Norden setzenden Strom vor der Ostküste stoßen würden, der uns 15 Grad versetzt, weshalb wir unter Segeln zwar bis an die Riffe fahren können, aber nun 10 Meilen oberhalb des Passes sind. Es ist mittlerweile zwei Uhr zwanzig. Ich fahre noch eine Wende (seit einiger Zeit stehen volles Groß und Genua), aber dann schläft der Wind ein. Mit 8 Knoten können wir bei wenig Welle noch gut am Wind segeln, aber bei 5 Knoten ist es dann vorbei.

Die Sicht ist wahnsinnig gut. Bei 45 Seemeilen Abstand kommt die Hauptinsel Neukaledoniens kurz vor dem Dunkelwerden in Sicht. Den Lichtschein des bereits hinter dem Horizont liegenden kleinen Städtchens auf Maré können wir noch erkennen, als wir schon 37 Meilen davon entfernt sind. Und das ist wahrhaftig kein Lichtermeer einer Metropole, die da leuchtet. Im AIS sehen wir ein entgegenkommendes Schiff. Die Toplichter erkennen wir bei einem Abstand von 12,8 Meilen. Der Mond geht um 2120 auf und macht die Nacht wieder mal schön hell, auch wenn es jetzt hälftig bewölkt ist.

Mit ein paar technischen Schwierigkeiten müssen wir uns herumschlagen. Zwar hat sich der Fluxgate Kompass der Selbststeueranlage wie von Geisterhand wieder selbst justiert (als ich das hier nochmal lese, muss ich an den Buchtitel "Selbs Justiz" von Bernhard Schlink denken), so dass wir auf die zwei Vollkreise und die elenden Eingaben am Terminal zur Kalibrierung verzichten können, aber dafür spinnt heute das bordeigene GPS. Obwohl reichlich Satelliten erfasst werden, hüpft der Schiffsort ständig 20 Grad nach Norden. Weil mir das ewige Gepiepse, das mit der "Kein Fix"-Meldung verbunden ist, auf den Geist geht, wird der Plotter für ein paar Stunden ausgeschaltet, womit unter Deck leider auch die Wind- und Fahrtinformationen fehlen. Irgendwann hat sich aber auch dieser Fehler wieder selbst repariert und der Kasten läuft wieder. Dafür piepst was anderes dauernd, und zwar der "shallow depth"-Alarm, also die Warnung vor zu flachem Wasser. Kann gar nicht sein, denn hier ist es 2000 Meter tief. Und dass permanent Fischschwärme oder große Haie, Wale oder U-Boote unter uns durchtauchen, ist auch mehr als unwahrscheinlich. Weiter fällt mir auf, dass die Fahrt durchs Wasser hin und wieder mit abstrusen Geschwindigkeiten, z.B. 22 Knoten, angezeigt wird. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, da hat irgendwo ein Blitz eingeschlagen in die Bordelektronik.


Donnerstag, 03. September 2015, von Maré nach Noumea, 2. Seetag, 62 Meilen

Seit 0250 läuft nun also die Maschine. Die Nacht ist mondhell, fast keine Bewölkung und die Sicht nach wie vor bärig. Um 05.45 Uhr fahren wir mit auflaufendem Wasser und Tageslicht durch die engste Stelle des Havannah Passes. Bei den Bedingungen, die wir jetzt haben, überhaupt kein Problem. Interessant ist nur, dass wir jetzt, 1,5 Stunden nach Niedrigwasser, 2 Meilen vor der Engstelle etwa einen Knoten Mitstrom haben, kurz davor einen Querstrom nach Norden und in der Engstelle einen halben Knoten Gegenstrom. Das Wasser ist spiegelglatt und der Sonnenaufgang grandios. Bereits um 5 Uhr ist das erste Morgenrot zu erkennen und nachfolgend ist ein traumhaftes Farbenspiel von Dunkelrot über Feuerrot zu Orange, Gelb, Hellgelb am gesamten Osthimmel zu erkennen, bevor ein roter Fleck den kurz bevorstehenden Klimmzug der Sonne über den Horizont ankündigt. In dieser Situation kommt uns ein Pilot-Boat entgegen, das den Lotsen auf ein Handelsschiff absetzt. Die Bedingungen hatten wir zuvor schon über Funk mitgehört: Übernahme um 0545 3 Meilen außerhalb des Riffs bei 8 Knoten FdW, Lotsenleiter an Steuerbord, 1 m über der Wasserlinie.

Neukaledonien begrüßt uns also freundlich. Damit Christine auch was davon hat, habe ich sie rechtzeitig vor der Passeinfahrt geweckt. Rechts von uns erheben sich hohe, schroffe Berge mit braunrötlichen Farbtönen. Manche Passagen erinnern an eine Fjordlandschaft, weil links und rechts von uns Berge aufragen. Am erstaunlichsten aber sind die vielen Pinienwälder, deren Mitglieder sich wie Zinnsoldaten steif in die Höhe recken und die davor wachsenden Palmen um Längen überragen. Ein tolles Bild, wie dieses Panorama im Licht der aufgehenden Sonne leuchtet. Leider rattert die Maschine, aber das können wir jetzt nicht ändern, denn wir wollen heute durchfahren bis Noumea. Innerhalb der Lagune sind das noch fast 40 Meilen, wovon ich die letzten nutze, um nach der durchwachten Nacht zwei Stunden im Cockpit zu schlafen, während Christine durch die Berge kurvt.

Um 1325 fällt unser Anker vor Port Moselle in Noumea, und zwar neben der Odin. Bertel ist zwar nicht an Bord, aber den treffen wir dann am Dinghydock der Marina und später noch einmal für einen ausführlicheren Schnack bei uns zum Sundowner. Bertel ist schon seit über zwei Monaten in Neukaledonien. Aber erstmal müssen wir zum Zoll und zur Biosecurity laufen. Die Immigration hat nur vormittags geöffnet. Zwanzig Minuten strammer Fußmarsch. Beide Behördengänge sind relativ schnell erledigt, aber bei der Biosecurity machen wir einen Fehler, indem wir angeben, dass wir noch Tomaten und Äpfel an Bord haben. Als uns schwant, was das bedeutet, reduzieren wir allerdings die tatsächlichen Mengen auf jeweils zwei, denn diese müssen wir morgen früh, in Plastiktüten verpackt, in ebendiesem Büro abgeben. Ob wir die nicht auch einfach heute Abend noch essen könnten? Nein, das geht leider keinesfalls. Was für ein Blödsinn. Die Eier, Würstchen und anderes Zeugs, was wir noch an Bord haben, wollen wir jedenfalls nicht auch noch loswerden und verschweigen sie deshalb. Ich halte die ganze Regelung für Blödsinn, denn welche Gefahr soll von Tomaten ausgehen, wenn wir diese, vor Anker liegend, an Bord verzehren? Andererseits: Wenn die Behörde schon so einen Blödsinnn durchsetzen will, dann muss sie auch die Schiffe durchsuchen, denn sonst verschweigt doch jeder seine Schätze, die er an Bord hat (nur halt so ein paar Unbedarfte, wie wir es sind, nicht).

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